Einen Heavy Metal-Fan erkennt man auf der Straße. Das ist heute so und das war in den 1980er Jahren so. Die Metal-Szene war immer schon beides: Liebe zu harter, intensiver Rockmusik und die Liebe zu einem extravaganten Style: lange Haare, Leder, Jeans, Nieten und beeindruckende Bandshirts – nicht umsonst gibt es heute ganze Magazine und Versandhändler, die sich ausschließlich auf Metal-Klamotten und – Accessoires spezialisieren. Die DDR-Führung mochte es ja eigentlich eher ruhig, einheitlich und unauffällig. Eine harte, aggressive und extravagante Musikkultur war also sicher nicht nach ihrem Geschmack. Umso mehr überrascht es, dass in den 1980ern in der DDR, unter argwöhnischer staatlicher Beobachtung, eine sehr vitale und leidenschaftliche Metal-Szene entstand – mit allem was dazugehört!
Heavy Metal
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© Tendenz Hard bis Heavy 04.11.1989, Privat-Archiv.
Aufgabe
Höre dir das Audio oben an und notiere deine Eindrücke:
1. Was fĂĽr eine Art von Sendung ist das? Worum geht es hier eigentlich?
2. Wer sendet?
3. An wen richten sich die Informationen?
1. Die weltweite Metal-Welle
Als in den 1970ern in England Bands wie BLACK SABBATH begannen, harten Gitarrenrock mit aggressiven, düsteren und auch melancholischen Elementen zu mischen und Bands wie JUDAS PRIEST dazu auch ein sehr auffälliges, leder- und nietenlastiges Bühnenoutfit entwickelten, fanden sich schnell weltweit Fans und Musiker:innen, die von diesem neuen Sound und Style fasziniert waren. Spätestens in den 1980ern war "Heavy Metal" ein globaler Trend und auch in der DDR tauchten immer mehr "Metalheads" auf, die begeistert den harten, düster-aggressiven Sound und die auffälligen Klamotten feierten. Obwohl die Heavy Metal-Szene in der DDR nach der Wiedervereinigung oft übersehen wurde, war sie in den 1980er Jahren tatsächlich bedeutender als die Punkszene.
Aufgabe
Metal-Style
Gib dem Metal-Fan unten den passenden Style!
Musikalische Wegbereiter: Westliche Vorbilder fĂĽr Heavy Metal made in GDR
Aufgabe
Mehr als nur Musik?
- Beschreibe das Besondere an Heavy Metal gegenĂĽber anderen Musikrichtungen und -szenen in eigenen Worten. Gehe dabei sowohl auf den Sound der Musik als auch auf den Stil der Klamotten ein.Â
- „Vielleicht denken manche Leute, dass Metal eine Phase im Leben ist und irgendwann abgelegt werden kann, wenn man älter und sozusagen vernünftig wird. Für mich aber ist es eine Lebensweise. Es ist eine Berufung, so wie sie ein Priester oder ein Doktor fühlen sollte. Metal kann man nicht von freitagabends bis Sonntagmittag leben und dann wieder auf Normalmodus umschalten. Nicht, wenn man es ernst meint! Man lebt es!“ – Joey DeMaio, MANOWAR.
Findest du es erstrebenswert, so für eine Musik zu empfinden? Begründe deine Antwort rein aus persönlicher Perspektive.
2. Metal als Leidenschaft – in der DDR
Frank, Jahrgang 1969, lebt und atmet Heavy Metal seit 1983. In seiner Heimatstadt Leipzig wurde 1987 aus einer Metal-Clique heraus der Fanclub "Mad Butcher" ins Leben gerufen, inspiriert von der gleichnamigen Platte der westdeutschen Band DESTRUCTION.
Die Gang hatte ein einfaches Motto: "Laute Musik und Luftgitarre". Politik spielte fĂĽr sie keine Rolle und sie ahnten nicht, dass die Stasi ein Auge auf sie geworfen hatte. Frank, kĂĽnstlerisch begabt, wurde zum T-Shirt-Designer, da Originalkleidung schwer zu bekommen war. Durch gute Beziehungen zu einem Schallplattentauschring sicherte er sich die begehrte "West-Musik" auf Kassetten, alles akribisch in seinem Kassettenbuch festgehalten.
Im Oktober 1988 musste er zur NVA, was ihn bis Januar 1990 etwas von der Szene entfernte. Nach seinem Dienst wurde im März 1990 ein Traum wahr: KREATOR, SABBAT, CORONER und TANKARD spielten nach dem Mauerfall als erste große "westliche" Metal-Bands ein Festival in Ostdeutschland. Die Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin war mit 7.000 Zuschauer:innen rappelvoll und der triumphale Gig war für viele ostdeutsche Metalheads ein einschneidendes Erlebnis, nicht nur für Frank.
Aufgabe
Mein T-Shirt
- Hat dich in deinem Leben ein KleidungsstĂĽck schon einmal glĂĽcklich gemacht? Wenn ja, welches und warum?
- Kleine Rechercheaufgabe: Wähle eines der drei T-Shirts aus der Galerie oben und finde heraus, ob, wie, für wieviel Geld und in welchem Zeitraum du ein Shirt mit demselben Motiv im Internet bestellen könntest. Notiere deine Ergebnisse.
- Beschreibe den Unterschied zwischen einem solchen Shirt und dem von Frank. Gehe dabei auch auf deine Antworten in der ersten Frage ein.
3. Grenzenlose Begeisterung: DDR-Fans und ihre Reisen zu West-Metal-Bands
T-Shirts bemalen und Platten tauschen, schön und gut – aber jeder Musikfan will seine Idole irgendwann live sehen. Das war in der DDR leider unmöglich, hier hätten die großen britischen Metalbands niemals eine Auftrittsgenehmigung erhalten. In Polen oder Ungarn waren sie da offener und ließen Bands aus dem Westen auftreten. Einige DDR Heavy Metal-Fans nutzten solche Gelegenheiten und reisten nach Ungarn oder Polen, um dort ihre Helden live zu sehen. Interessant ist auch, wie sich die Heavy Metal-Szene in der damaligen Sowjetunion unterschied. Bands aus Leningrad und Moskau konzentrierten sich mehr auf russische Texte und ihre eigene Identität, während in der DDR vor allem West-Songs gecovert wurden, um die Fans zufriedenzustellen.
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Prag oder Budapest? Hauptsache Metal
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Prag oder Budapest? Hauptsache Metal
Der westdeutsche Musikjournalist Götz Kühnemund erinnert sich an ein Metal-Konzert in Osteuropa:
"Na, ich war das erste Mal im Osten 1987, RUNNING WILD in Prag, glaub ich, mit STORMWITCH. Und dann sind wir dahingefahren, das war in einem FuĂźballstadion. Und irgendeiner sachte: "Geh mal raus, da sind tausende von Deutschen drauĂźen im Publikum." Und dann hab ich mich drauĂźen ins Publikum gestellt und habe auch so selbst gemalte Rock-Hard-Shirts gesehen ĂĽberall. Und klar, hab ich die Leute natĂĽrlich angesprochen. [...] Und innerhalb von ´ner Stunde habe ich nur noch meine Jeans angehabt, also alles andere, jeden Anstecker von der Jacke einzeln verschenkt, und irgendwann war die Jacke weg und das T-Shirt war weg. Aber das war so geil, mit den Leuten da zu reden, das war der groĂźartigste Tag in meinem Leben." Â
Anmerkung: Tatsächlich handelte es sich wohl um Budapest, da RUNNING WILD 1987 nicht in Prag spielten.
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Nicht nur zum Konzert, auch zum Einkaufen
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Nicht nur zum Konzert, auch zum Einkaufen
Der ostdeutsche Metalfan Holger Welsch ĂĽber seine Reise nach Budapest:
"Ich hatte mir dann so 3.000 Mark zusammengekratzt, und die hatte ich mir an die Eier geklemmt, in die Unterbuchse. Hamse bei der Kontrolle nicht gemerkt. [...] Hinfahrt also um zehn, eingekauft, 3.000 Mark und Westgeld hatten wir auch ein bisschen mit. [...] 14 Uhr waren wir pleite. T-Shirts, Platten, dicke Tüten voll Platten [...] Und um 17 Uhr Mittwochnachmittag fuhr der nächste Zug zurück. Und an der Grenze: "Sie wollen schon wieder zurück? Sie sind doch grad erst ausgereist?" "Joa, Kohle war alle, wir mussten zurück." Da haben sie uns natürlich besonders gefilzt."
bei der Kontrolle: Die DDR gestattete es ihren Bürger:innen nur, einen geringen Tagessatz an Bargeld ins Ausland mitzunehmen. 3.000 Mark lagen weit über diesem Satz.
Aufgabe
Metal als Berufung?
Lies dir nochmal das Joey DeMaio-Zitat in Aufgabe 2 in Element 8 oben durch. Beantworte dann folgende Frage: Lebten DDR-Metalfans wie Frank das DeMaio-Ideal von "Metal als Berufung"? Begründe deine Antwort und nutze dafür Material aus den Unterkapiteln 2 und 3.
4. Metalheads unter Beobachtung
In der DDR wurde Heavy Metal von den Behörden als eine negative, dekadente Jugendkultur des Westens betrachtet und gemeinsam mit anderen Jugendkulturen wie Punk, Skinheads und Grufties als Extremgruppe eingestuft. Dies wurde unter dem Begriff "politisch-ideologische Diversion" gefasst, da die Regierung befürchtete, dass diese Musikrichtung die ideologische Stabilität des Staates gefährden könnte.
Anders als bei einigen anderen Jugendkulturen, stand bei Heavy Metal in der DDR die Musik im Mittelpunkt. Mögliche politische Auswirkungen waren zweitrangig, doch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtete die Szene aufgrund ihres auffälligen Erscheinungsbildes und ihres als rebellisch wahrgenommenen Verhaltens mit Argwohn.
Galerie: "Heavy-Metal-Fans, Sicherheitsbedenken und Stasi-MaĂźnahmen"
Aufgabe
Metalheads unter Beobachtung
Wähle einen der beiden Berichte aus und beantworte für ihn folgende Fragen:
1. Warum hat die Stasi Interesse an den Metalfans?Â
2. Welche MaĂźnahmen werden von der Stasi vorgeschlagen, um "Heavy-Metal-Fans" zu ĂĽberwachen?Â
3. Warum waren "Heavy-Metal-Fans" für die DDR-Behörden ein besonderes Problem?
5. Staatlich geprĂĽfter Heavy Metal
Die Einstellung des Staates gegenüber Heavy Metal änderte sich allmählich. Musiker:innen und Bands erhielten die Möglichkeit, sich offiziellen Zulassungs-Vorspielen, sogenannten „Einstufungen“ zu stellen. Wenn sie als professionelle Heavy Metal-Musiker:innen eingestuft wurden, konnten sie sich im regem Konzertbetrieb ein vergleichsweise gutes Einkommen erspielen.
Info
FORMEL I: Die bekannteste Heavy Metal-Band der DDR
Info
FORMEL I: Die bekannteste Heavy Metal-Band der DDR
Ostberlin 1981: Der Sänger Norbert Schmidt, Schlagzeuger Paule Fincke und Gitarrist Wolle Densky gründen eine Band namens FORMEL I. Sie bekommen danach noch Zuwachs vom Bassisten Detlef Dudziak und später noch vom slowakischen Gitarristen Andrej Horvath. Ihre Musik wird in der DDR schnell bekannt und läuft bereits 1982 im Radio der DDR – das war damals echt eine große Sache. FORMEL I wird tatsächlich die bekannteste Heavy Metal Band in der DDR.
Einer ihrer Hits namens "Willste nicht uffstehn" erreichte 1982 sogar den fünften Platz in den Charts des DDR-Radios. Die Band hatte auch Songs wie "Eddi", "Sie will weg", "18 Jahre sein" und "Der Fußballfan", die echt gut ankamen. 1985 konnten sie sogar eine Vinyl-Single (Schallplatte) bei Amiga, dem DDR-Label, veröffentlichen. Später haben sie einen neuen Gitarristen, Michael Sündermann, in die Band aufgenommen und die Musik wurde noch kraftvoller und schneller. Aber das Beste kam 1986: FORMEL I veröffentlichte das erste Heavy Metal-Album der DDR und das Besondere daran war, dass es in einem Stahlwerk aufgenommen wurde.
Ohne staatliche Zustimmung wäre eine solche Aufstiegsgeschichte in der DDR niemals möglich gewesen. Tatsächlich waren die Jungs von FORMEL I bei ihrem staatlichen Vorspiel sehr gut bewertet worden und galten somit in den Augen der Behörden als begabte Berufsmusiker, denen man keine Steine in den Weg legen wollte.
Das änderte sich erst 1987, als mehrere Bandmitglieder einen Ausreiseantrag stellten. Damit war es mit dem staatlichen Wohlwollen endgĂĽltig vorbei und die Band löste sich auf.Â
Text
Zum Lied "18 Jahre sein"
Text
Zum Lied "18 Jahre sein"
FORMEL I - 18 Jahre sein
Er ist 16, kein erwachsener Mann
Und er fĂĽhlt, hier muss er raus
Seine Mutter kiekt den Alten kaum noch an
Hat das Leben mit ihm satt
So'n kaputtes Haus
Dann die SprĂĽche, zusammen halten sie's nicht aus
Wann geht der Bengel aus dem Haus
Doch bis dahin wollen sie noch zusammenkleben
Hält er es solange noch aus
So'n kaputtes Haus, in dem er nicht leben will
Da gibt's nicht viel, was ihn hält
Ein Haus, in dem er nicht leben will
Da ist es kalt, er will raus
18 schon zu sein, wie oft denkt er daran
Und dazu 'ne dufte Braut
Mit der er dann sein Leben aufbauen kann
Aber kein kaputtes Haus
In dem er nicht leben kann
Da gibt's nicht viel, was ihn hält
Ein Haus, das steht wie ein Fels im Sturm
Für ihn wär's die neue Welt
18 Jahre sein, denkt, dann ist er frei
18 Jahre sein, so ist jetzt sein Schrei
Nicht die Kraft verlieren fĂĽr ein neues Haus
Nicht den Kopf verlieren im kaputten Haus
In dem er nicht mehr leben kann
Da gibt's nicht viel, was ihn hält
Ein Haus, das steht wie ein Fels im Sturm
Für ihn wär's die neue Welt
Aufgabe
- Hör dir den Song "18 Jahre sein" von FORMEL I oben an. Gefällt dir das Lied?
- Klingt das Lied für dich nach "DDR-Musik"? Begründe deine Antwort und gehe dabei auf die Vorstellung ein, die du von der DDR und ihrem kulturellen Leben hast. (Tipp/Inspiration: Wenn ich an "typische DDR-Musik" denke, fallen mir eher Beispiele wie dieses und dieses ein ...)
Aufgabe
Schauen wir uns mal den Text von "18 Jahre sein" genauer an, beantworte die folgenden Fragen:
1. Wofür könnte das "kaputte Haus" im Text stehen und warum möchte der Jugendliche daraus ausziehen?
2. Warum ist das Erreichen des Alters von 18 Jahren fĂĽr ihn so wichtig?
3. Was erhofft sich der Jugendliche von der "duften Braut," von der im Text die Rede ist?
4. Was versucht der Text vielleicht mit den Zeilen "Nicht die Kraft verlieren fĂĽr ein neues Haus" und "Nicht den Kopf verlieren im kaputten Haus" auszudrĂĽcken?
5. Was denkst du, was der Text ĂĽber die WĂĽnsche und Hoffnungen junger Menschen in der DDR aussagt?
6. "Tendenz Hart bis Heavy" – Metal in den DDR-Medien
Trotz aller Herausforderungen gab es auch Sendungen im DDR-Radio, die Heavy Metal spielten. Die Sendung "Tendenz Hart bis Heavy" im Jugendradio DT64 bot den Fans die Möglichkeit, aktuelle Musik und Konzerttermine zu hören. Die Radiomoderatoren und -produzenten hatten ihre eigenen Wege, an Musik aus dem Westen heranzukommen, um die Fans zu versorgen.
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© Tendenz Hard bis Heavy 04.11.1989, Privat-Archiv.
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© Tendenz Hard bis Heavy 04.11.1989, Privat-Archiv.
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© Tendenz Hard bis Heavy 04.11.1989, Privat-Archiv.
Der Artikel unten aus dem DDR-Jugendmagazin "Neues Leben" von 1985 thematisiert die Faszination und Kontroversen rund um die Musik des Heavy Metal. Er beschreibt die energiegeladene Atmosphäre von Heavy Metal-Konzerten sowie die Entwicklung und den Einfluss auf die Jugendkultur in der DDR der 1980er Jahre.
Galerie: Metal im Jugendmagazin
Aufgabe
Akzeptiert oder diskreditiert?
Beurteile die Darstellung des Heavy Metal in den DDR-Medien in eigenen Worten. Gehe dabei auf das unterschiedliche Material ein, das in Unterkapitel 6 gezeigt wird.