Umweltbewegung

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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Frank Heide Foto 019-002-001

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"... Und die Fische im Fluss sind die Heimat / Und wir lieben die Heimat, die schöne / und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört ..." – DDR-Pionierlied "Unsere Heimat"

Umweltbewegung

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Stell dir vor, du stehst mit einer anderen Person im Aufzug, plötzlich fängt es an zu stinken. Du schaust dein Gegenüber an und sagst: "Hier stinkts doch, hast du etwa ...?" Und der/die Andere ruft schnell: "Ich hab nichts gemacht und ich finde auch, hier stinkt´s überhaupt nicht." – Aber es stinkt und da du es nicht warst ...
Ungefähr so müssen sich viele DDR-Bürger:innen gegenüber ihrer Regierung in Sachen Umweltverschmutzung gefühlt haben. Offiziell gab es in der DDR keine Umweltprobleme. Aber die Menschen in der DDR konnten buchstäblich einigen ihrer Wälder und Flüsse beim Sterben zuschauen. Sie sahen die schwarzen Smog-Ablagerungen auf ihren Fenstersimsen und sie spürten sie in der Lunge. Was macht man da? Wie geht man gegen ein Problem vor, das offiziell nicht existiert?
 

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Der DDR-Umweltaktivist Frank Sellentin beantwortet die Frage so für sich.
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / ZZI - 029

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© Christlicher Arbeitskreis Weltumwelttag

Archiv Bürgerbewegung Leipzig / S 076-1989-04 Deckblatt Info-Heft Pleiße

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Aufgabe

Rätselhaftes Bild

  1. Formuliere deine erste Gedanken zur Grafik "Die Pleiße", die 1989 als Titelbild eines Samisdats in Leipzig genutzt wurde.
    1. Was ist zu sehen?
    2. Was ist seltsam an der Darstellung?
    3. Was könnte eine mögliche Aussage des Bildes sein?
  2. Überlege dir einen möglichen Titel oder eine Bildunterschrift für die Grafik!

1. Die Umweltsituation in der DDR

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Nach offiziellen Darstellungen in den Medien gab es in der DDR keine gravierenden Umweltprobleme. Umweltdaten, die den Grad der Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser hätten belegen können, wurden von der Staatsregierung streng geheim gehalten. Doch es genügte ein Blick vor die Haustür, ein Ausflug ins Erzgebirge oder ein Gang durch den Betrieb, um zu begreifen, dass die DDR-Regierung bei der Umweltsituation verschwieg, vertuschte und betrog.

Besonders erschreckend war das Ausmaß der Zerstörung im Uran- und Braunkohlebergbau und im Umfeld der Chemiekombinate Halle-Leipzig-Bitterfeld. Mondlandschaften, Kloaken und giftige Chemiecocktails in Gewässern waren die Folgen einer desaströsen DDR-Wirtschaft. Begleiterscheinungen wie schwere Atemwegserkrankungen bei kleinen Kindern rüttelten die Betroffenen wach und ließen sie nach Ursachen fragen.

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Die Doku Das Lied
- YouTube
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Eine 10-minütige mdr-Doku zur Umweltsituation in der DDR
Kopf im Sand
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Das Lied "Kopf im Sand" des DDR-Liedermachers Gerhard Schöne legte 1989 den Finger in die Wunden.

https://www.youtube.com/@MDRDOK

https://www.youtube.com/channel/UCAPAshUFMFvAAesVXbI0oBw

Die Doku Das Lied
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Text

Zum Lied "Kopf im Sand" von Gerhard Schöne

Was ist das, das die Luft verdreckt?
Was ists, woran der Baum verreckt?
Was fließt da in den Fluß hinein?
So schlimm wird’s wohl nicht sein.

Die Fichtelberger Fichten,
auf die könn’ wir verzichten!
Ich hab gehört, die züchten
jetzt neue Bäume ran,

die noch mehr Gift vertragen.
Man kann sich nicht beklagen.
Und keiner braucht zu fragen,
was keiner wissen kann.

Refr.:

Wir müssen vertrauen – den Kopf im Sand,
Vertrauen – am Felsenrand.
Vertrauen – spieln „Blinde Kuh“.
Und raus bist du!

Der Müll, den uns der Westen schickt,
wird in die Erde neigedrückt.
Und was da drinsteckt, weiß kein Schwein.
So schlimm wird’s wohl nicht sein.

Im Seifenladen stehen
die Sprühdosen zum sprayen.
Willst du´s Ozonloch sehen
dann kauf die alle ein.

Besprüh das Klo, die Wanne,
den Hals, die Zimmertanne,
den Bauch von Marianne,
denn so schlimm wird´s nicht sein.

Refr.:

Wir müssen vertrauen ...

Das Wasser von der Havel,
stell niemals auf die Tafel.
Mit Wasser aus der Luppe
kocht keiner seine Suppe.
Das Wasser aus der Elbe
ist auch nicht mehr das Gelbe.
das Wasser aus der Oder
Reimt sich nur noch auf Moder.
Das Wasser aus der Pleiße,
.........................Scheiße.
Die Mulde hinter Glauche,
........................Jauche.
Im Wasser von der Saale
vergiften sich die Aale.
Das Wasser von der Spree
tut keinem Fisch mehr weh.

Refr.:

Wir müssen vertrauen ...

Als Tschernobyl in Strahlen stand,
gab’s Gurken am Gemüsestand.
Bei uns war eitel Sonnenschein,
denn so schlimm wird’s nicht sein.

Wenn heut’ die Luft so sauer riecht,
das Baby kaum noch Atem kriegt
und grün und blau im Bettchen liegt,
dann stell das Radio an!

Ruf auch die Auskunft an und frag!
Schau nach im Tageblatt vom Tag!
Verpass’ nicht, was das Fernsehn sagt!
Vielleicht erfährst du dann:

Refr.: 

Wir müssen vertrauen ...

Gerhard Schöne, 1989

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Aufgabe

  1. Erstellt in Partner- oder Gruppenarbeit eine Mindmap zum Thema Umweltverschmutzung in der DDR (z.B. mit diesem Tool). Geht dabei auf die unterschiedlichen im Film gezeigten Aspekte der DDR-Industriepolitik und deren Konsequenzen ein. ODER
  2. Verfasst einen kurzen Text zum Lied "Kopf im Sand", in dem ihr erklärt, was und wie Gerhard Schöne hier kritisiert. Geht dabei auch auf den Wechsel des Musikstils zwischen den Strophen und dem Refrain ein.

2. Aber was ist denn mit der Pleiße?

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Urheber: Elop

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Einzugs-_und_Flussgebietskarte_Pleisse.png?uselang=de

Cc3BYSA

Karte des Flusseinzugsgebiets der Pleiße

Die Pleiße ist ein fast 100 km langer Fluss in Sachsen. Sie entspringt in der Nähe von Zwickau, fließt Richtung Norden und mündet hinter Leipzig in die Weiße Elster. Sie durchfloss dabei südlich von Leipzig eines der wichtigsten Industriezentren der DDR.

Heute sieht man es an den vielen tollen Seen in dieser Gegend – ehemalige, nun geflutete Braunkohlegruben. Hier wurde intensiv Braunkohle abgebaut, in den nahe gelegenen Fabriken und Kraftwerken weiterverarbeitet oder zur Stromerzeugung genutzt.

Die chemischen Abfallprodukte wurden in die vorbeifließende Pleiße geleitet. In Leipzig kam diese nur noch als stinkende schwarze Chemiebrühe an.  

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"Pleiße ans Licht!": Wegen der starken Wasserverschmutzung und dem damit einhergehenden Gestank wurde der Pleißemühlgraben ab 1951 im Leipziger Stadtgebiet verrohrt. Erst nach 1990 holte man ihn nach und nach zurück "ans Licht".
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Mehr Infos zu Böhlen und Espenhain? Klicke auf die Infopunkte.
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Info

Warum zerstörte die Braunkohle-Industrie den Fluss?

In der DDR fand die Braunkohleveredelung in verschiedenen industriellen Anlagen statt, wie beispielsweise in Brikettfabriken, Kraftwerken und anderen Verarbeitungsanlagen. Dabei wurde Braunkohle durch verschiedene Verfahren wie das LURGI-Spülgasverfahren oder die Schwelung veredelt, um verschiedene Produkte wie Briketts, synthetische Treibstoffe und chemische Grundstoffe herzustellen.

Das LURGI-Spülgasverfahren ist eine Methode, um Braunkohle in speziellen Fabriken zu veredeln. Stell dir vor, die Braunkohle wird erhitzt und in einem speziellen Ofen verarbeitet. Dabei wird Dampf eingesetzt, um die Kohle zu "reinigen" und in kleine Stücke namens Briketts zu verwandeln. Diese Briketts wurden dann als Brennstoff verwendet, um beispielsweise Strom oder Wärme zu erzeugen.

Die Verschmutzung von Flüssen während des Veredelungsprozesses von Braunkohle entstand aufgrund von zwei Hauptfaktoren:

Erstens, es wurden große Mengen an Abfallprodukten erzeugt, die oft in Flüssen oder nahegelegenen Gewässern entsorgt wurden, ohne sie angemessen zu behandeln oder zu filtern. Diese Abfälle enthielten oft giftige Substanzen und Schwermetalle, welche die Wasserqualität stark beeinträchtigten.

Zweitens wurden bestimmte Chemikalien zur Kohleveredelung eingesetzt. Wenn diese nicht ordnungsgemäß behandelt oder neutralisiert wurden, gelangten sie zusätzlich als Rückstände oder durch Abwässer in Flüsse und Gewässer und führten zu einer erheblichen Verschmutzung.

Über den folgenden Link kannst du dich genauer über die chemischen Abläufen der Schwelung informieren.

Andreas Parnt/ Juliane Thieme, ABL

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3. Offiziell vorbildlich

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Urheber: Bundesarchiv, Bild 183-L0824-0308 / CC-BY-SA 3.0

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-L0824-0308,_Berlin,_Hans-Beimler-Stra%C3%9Fe.jpg?uselang=de

Cc3BYSA

Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft in der Berliner Hans-Beimler-Straße (rechter Gebäudekomplex)

Wie gesagt, eigentlich gab es in der DDR ja offiziell gar keine Umweltprobleme ... Denn bereits 1968 schrieb sich die DDR, als einer der ersten Staaten überhaupt, den Umweltschutz in seine Verfassung. 1970 wurde ein durchaus modernes "Landeskulturgesetz" erlassen, das die Ziele der DDR zu Naturschutz und Landschaftspflege regelte. Und 1972 richtete die DDR sogar ein Umweltministerium ein, 14 Jahre vor der Bundesrepublik.

Aber nicht nur das: Auf dem Papier hatten die Bürger:innen der DDR sogar das Recht, auf Missstände aufmerksam zu machen, ihre Meinung zu äußern und sich in Vereinigungen und auf Demonstrationen zu versammeln, um ihre Interessen zu vertreten. Zumindest in der Theorie ... 

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Umweltrechte Bürgerrechte
Ausgewählte Umweltgesetze der DDR
Ausgewählte Bürgerrechte der DDR-Verfassung
Umweltrechte Bürgerrechte
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Umweltaktivist:innen schreiben eine Eingabe – klicke auf das Ausrufezeichen.
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Aufgabe

Juristisches

Lies dir die Eingabe in Element 16 oben durch. Stell dir vor, du wärst Mitglied in der Umweltgruppe, die sie verfasst hat und hättest von deinen Mitstreiter:innen den Auftrag bekommen, die Eingabe noch etwas "juristisch aufzupolieren". Formuliere einen abschließenden Absatz für die Eingabe, in der du erklärst, dass 

  • die Verschmutzungen um Espenhain ein Staatsversagen sind bzw. einen Verfassungsbruch darstellen.
  • die Bürger:innen der DDR das Recht, wenn nicht gar die Pflicht haben, diese Verschmutzung öffentlich zu kritisieren und dagegen zu protestieren.

Beziehe dich dabei auf konkrete Stellen und direkte Zitate aus den Gesetzestexten oben und versuche, die DDR mit ihren eigenen Ansprüchen zu konfrontieren. 

4. Die Praxis: Die Bürger:innen protestieren wirklich - was nun?

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Wie konnte man die Bevölkerung wachrütteln und etwas unternehmen? Junge Leute der "Initiativgruppe Leben" riefen 1988 zu einem "Pleiße-Gedenkumzug" auf. Dies klang harmloser als "Demonstration" und da die Pleiße biologisch tot war, schien ein Gedenken die richtige Form zu sein. 

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Frank Sellentin über die Leipziger Oppositionsgruppen und sein Bedürfnis nach "mehr action"
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / ZZI - 029

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Info

Die Leipziger "Inititativgruppe Leben"

Schon 1981 setzten sich junge Leipziger:innen in der „Arbeitsgruppe Umweltschutz" (AGU), welche unter dem Dach der evangelischen Kirche angsiedelt war, für mehr Umweltschutz ein. Ihre Mitglieder gaben die Samisdat-Zeitschrift "Streiflichter" heraus und bauten schließlich eine Umwelt-Bibliothek auf. Sie boten Seminare an, erstellten Dokumentationen zum Zustand der Umwelt, wollten "mobil ohne Auto" sein oder pflanzten Bäume.

1987 spaltete sich die "Initiativgruppe Leben" (IGL) ab, welche in Bezug auf den Staat konfliktbereiter war. Die Aktivist:innen waren der Ansicht, dass für die Verbesserung der Umweltsituation grundsätzliche Reformen in der DDR nötig waren. Sie kritisierten den stark militärisch geprägten Alltag in der DDR, schon im Kindergarten und in der Schule. Für junge Männer, die keinen Wehrdienst ableisten wollten, forderten sie einen alternativen Dienst im sozialen Bereich. Später forderten sie in mutigen Aktionen Bürgerrechte wie Meinungsfreiheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie Pressefreiheit ein. Wichtig war ihnen vor allem, die Öffentlichkeit zu erreichen und zu aktivieren und nicht wie bisher nur in kirchlichen Räumen zu agieren.

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Gezeigte Wasserprobe der Pleiße zum "Gedenkumzug" 1988
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In historischen Fotos Im Zeitzeugeninterview
ABL/ Foto 061-002-19
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Christoph Motzer Foto 061-002-019

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Zum ersten Pleiße-Gedenkumzug 1988 zogen über 200 meist junge Menschen schweigend an der Pleiße entlang und überquerten diese am Schleußiger Weg. Offiziell handelte es sich um eine "nicht genehmigte Demonstration". Mögliche Organisator:innen waren im Vorfeld von der Stasi vorgeladen worden, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Doch sie ließen sich nicht einschüchtern.
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Christoph Motzer Foto 061-002-024

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Der Umweltaktivist Rainer Müller trägt ein selbstgestaltetes Transparent. Es bezieht sich auf Versprechungen in der DDR-Presse seit den 1950er Jahren, dass die Pleiße bald sauberer werden soll.
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Christoph Motzer Foto 061-002-032

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Der Fotograf Christoph Motzer, der dieses, die vorhergehenden und das folgende Foto aufgenommen hat, war in den 1980er Jahren in verschiedenen Leipziger Oppositionsgruppen aktiv und gehörte zu den Fotografen der "Szene".
Christoph Motzer
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Christoph Motzer Foto 061-002-031

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Blick auf die Teilnehmenden der Abschlussversammlung des 1. Pleiße-Gedenkumzuges am 5. Juni 1988 im Clara-Zetkin-Park. Der Staat beobachtete das Geschehen, griff aber nicht ein.
ABL/ doku 001.008.001
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / doku 001.008

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Der Aufnäher zur Aktion war ein Stück bedruckter Stoff, den man z.B. mit einer Sicherheitsnadel an der Kleidung befestigen konnte.
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Plakat 00010

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Das Veranstaltungsplakat für den Gedenkmarsch, hergestellt im Siebdruck-Verfahren, wurde in Schaukästen von unterstützenden Kirchgemeinden ausgehängt. Sie wurden später von der Kirchenleitung angewiesen, das Plakat zu entfernen, da man Konflikte mit der SED fürchtete.
ABL/ doku 001.008.002
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / doku 001.008.002

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Die Handzettel zum Pleiße-Gedenkumzug waren über den Verteiler der Arbeitsgruppe Umweltschutz (AGU) per Post verschickt worden.
Der Umweltaktivist Frank Sellentin erinnert sich an den 1. Pleißemarsch 1988.
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / ZZI - 029

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In historischen Fotos Im Zeitzeugeninterview
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Info

... und im ARD-Drama

Über den folgenden Link findest du in der ARD-Mediathek den Film "Die unglaubliche Leichtigkeit der Revolution". In diesem wird zwischen Min. 32:10 und 34:30 der erste Pleißemarsch filmisch nachgespielt. 

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Aufgabe

Exkurs: Film und Authentizität

Sieh dir den vorgeschlagenen Ausschnitt im ARD-Drama "Die unglaubliche Leichtigkeit der Revolution" an. Im Ausschnitt wird immer wieder zwischen gespielten Szenen (in Farbe) und zwischengeschalteten Fotos (in schwarz-weiß) gewechselt. Bei den Fotos handelt es sich zunächst um historische Aufnahmen vom Pleißemarsch 1988 in Leipzig, später aber nicht mehr.

  1. Was wird auf den späteren schwarz-weißen Fotos gezeigt?
  2. Warum nutzen die Filmemacher:innen die historischen und die anderen Fotos? Welchen Zweck erfüllen diese für den Film? Stelle Vermutungen an. 

5. Was einmal klappt ...

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Der 1. Pleißemarsch hatte, vielleicht auch zur Überraschung der Veranstalter:innen, relativ unbehelligt von staatlicher Seite stattfinden können. Er führte aber auch nicht zu einer Verbesserung der Wasserqualität der Pleiße. Ein Jahr später gab es daher gute Gründe, eine weitere Aktion zu planen. Für den 4. Juni 1989 wurde also der 2. Pleißemarsch vorbereitet, diesmal unter Beteiligung mehrerer Gruppen und der Kirche. Geplant wurde ein "Pleißepilgerweg".

Doch diesmal bereitete sich auch der Staat darauf vor: der Pilgerweg wurde im Vorfeld verboten, man versuchte, Aktivistist:innen durch Zuführungen unter Druck zu setzen oder sie wurden gleich unter Hausarrest gestellt, durften also ihre Wohnung nicht verlassen, um teilzunehmen. Doch die geplanten Andachten zum Auftakt und zum Abschluss des Pleiße-Pilgerweges waren kirchliche Veranstaltungen, diese konnte der Staat nicht verhindern.

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ABL/ Plakat 00011
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© Christlicher Arbeitskreis Weltumwelttag

Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Plakat 00010

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Das Plakat zum zweiten Pleißemarsch 1989, wieder im Siebdruckverfahren angefertigt.

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© André Botz

Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Doku 001.019.005

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Der ursprüngliche Plan zum Ablauf der Veranstaltung – wurde so von staatlicher Seite verboten.

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Urheber: Bundesarchiv, StUA, MfS, HA IX, Nr. 1003, Bl. 94

https://www.stasi-mediathek.de/medien/massnahmen-zur-verhinderung-des-2-pleisse-gedenkmarsches-am-5-juni-1989-in-leipzig/blatt/94/

PDBYSA

Gegenplan des Staates: Harte Anweisungen des Ministers für Staatssicherheit zum Leipziger Pleißemarsch

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Aufgabe

Die ursprünglich geplante Route

Vollziehe mit Hilfe des zweiten Dokuments in der Galerie oben und einer Onlinekarte wie openstreetmap den geplanten Verlauf des zweiten Pleißemarsches nach. Gehe dabei folgendermaßen vor:

  • Notiere dir unten alle Ortsangaben aus dem Dokument in der richtigen Reihenfolge. Zwei Tipps: Ignoriere den Wildpark und das Pleißewehr heißt "Schleußiger Wehr".
  • Öffne dann in einem neuen Tab die openstreetmap und suche nacheinander die notierten Orte. Tipp: Oben rechts gibt es ein Suchfeld und als kleine Hilfe startet der Kartenlink mit der Paul-Gerhard-Kirche in Leipzig-Connewitz.
  • Was glaubst du, warum die Veranstalter:innen gerade diesen Weg laufen wollten?
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Karin Wieckhorst Foto 035-001-273

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Teilnehmer:innen des Pleißepilgerweges am 4. Juni 1989 in Leipzig-Connewitz

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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Karin Wieckhorst Foto 035-001-274

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Blick auf eine Polizeikette in der Leipziger Karl-Liebknecht-Straße

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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Karin Wieckhorst Foto 035-001-269

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Nahaufnahme einer Polizeikette mit zwei Reihen in der Leipziger Karl-Liebknecht-Straße

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Bericht von Teilnehmenden Bericht der SED
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Karin Wieckhorst Foto 035-001-273 (Original)

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Eingesprochenes Gedächtnisprotokoll von zwei Teilnehmer:innen des 2. Pleißemarsches 1989
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Urheber: Archiv Bürgerbewegung Leipzig

PD
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / doku 009.001.084

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Bericht von Teilnehmenden Bericht der SED
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Aufgabe

Widersprüchliche Angaben

  1. Vergleiche den Bericht der Teilnehmer:innen mit dem der SED-Bezirksleitung. Nutze dafür erneut die openstreetmap, um die Ortsangaben zu überprüfen (Tipp: Die SED-Bezirksleitung befand sich in der Karl-Liebknecht-Straße 143). Wo stimmen die Berichte überein, wo widersprechen sie sich?
  2. Welchen Bericht hältst du für glaubwürdiger? Begründe deine Antwort.
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Aufgabe

Beurteilung

  1. Beurteile die Ereignisse während des 2. Pleißemarsches am 4.6.1989. Beziehe dich dabei ausdrücklich auf deine Antworten aus Element 16.
  2. "Rechtstaatlichkeit – also, dass sich alle, auch die Regierung, auch die Polizei, an die Gesetze halten müssen – ist die wichtigste Grundlage eines freiheitlichen Staates." Nimm zu dieser Aussage begründet Stellung, insbesondere zur Formulierung "wichtigste Grundlage".

6. Und heute?

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Auch wenn die Pleiße mittlerweile wieder ziemlich sauber durch Leipzig fließt, ist das Thema Umweltprotest noch lange nicht Geschichte. Ganz im Gegenteil, in den letzten Monaten (ich schreibe das Ende 2023) war eine bestimmte Form des Umweltaktivismus ein Riesenthema in Deutschland: die Letzte Generation und ihr Protest gegen die, von ihr so wahrgenommene "Untätigkeit der Regierung bei der Verhinderung der Klimakatastrophe". 

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Eigendarstellung Protestform Strafen und Reaktionen
Ansprache an die Bundesregierung: Stoppt den fossilen Wahnsinn!
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Aktivist:innen der Letzten Generation über ihre Organisation
Letzte Generation: Wie weit darf Klima-Aktivismus gehen? | neuneinhalb | WDR
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Eine Bericht über eine Straßenblockade der Letzten Generation
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Ein Bericht über juristische und politische Reaktionen auf die Letzte Generation
Eigendarstellung Protestform Strafen und Reaktionen
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Aufgabe

Politische Stimmen zum Protest

Die Sätze unten stammen alle aus einer Landtagsdebatte 2022 in Sachsen-Anhalt zur Letzten Generation. Ordne zunächst nach Gefühl die Aussagen den jeweiligen Abgeordneten zu, überprüfen kannst du sie danach hier.

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Aufgabe

Beurteilung

  1. Beurteile jetzt, wie Politik, Justiz und Gesellschaft in der Bundesrepublik mit den Klimaprotesten der Letzten Generation umgehen. Du kannst dich dabei auf das oben aufgeführte Material beziehen oder eigenes recherchieren. Gehe bei deiner Beurteilung auf folgende Aspekte ein:
    1. Protestanlass und -form
    2. Verhältnismäßigkeit: Verhältnis der Protestform zum Umweltproblem und Verhältnis der Reaktionen zum Protest
    3. Rechtsstaatlichkeit
  2. Vergleiche nun den Umgang der DDR mit Umweltprotesten mit dem in der heutigen Bundesrepublik.